Der Tag, an dem der Himmel weinte

 

„Ich verdanke meiner Frau viele unvergessliche Momente“ erzählt Gerold Permoser,

Chief Investment Officer (CIO) und Chief Sustainable Investment Officer (CSIO)

der Erste Asset Management.

 

Viele waren von ihr beabsichtigt und die meisten können wir sogar unseren Enkeln erzählen. Der, von dem ich

jetzt erzähle war nicht nur nicht beabsichtigt, sondern geradezu unvorstellbar.

 

Am 8. Juli 2014 begaben wir uns in die am Morro Dois Irmãos gelegene Favela Vidigal, um dort, ganz oben

mit dem besten Blick auf die Strände Rios, einen magischen Augenblick zu erleben: das Halbfinale Brasilien

gegen Deutschland. Und magisch wurde es. Leider ganz anders als geplant. Vor dem Spiel ging ein Gewitter

über die Stadt hernieder, das die schönste Lichtstimmung erzeugte, die ich je in Rio erlebt habe. Ein paar

Minuten später erlebten wir alle ein blaues Wunder und wir wussten, warum der Himmel weinte!

 

Ein Wunder anderer Art war aber auch der Platz selbst, an dem wir diesen unvergesslichen Augenblick erlebten.

Vidigal ist eines der größeren Armenviertel Rios und war bis zur Pazifizierung 2011 fest in der Hand einer

Drogengang. Drogenhandel, Gewalt, das Fehlen durchsetzbarer gesetzlicher Rechte und Ansprüche sowie

Unsicherheit bestimmten den Alltag der Bewohner. Für mich war es beeindruckend, das erste Mal einen

Einblick in dieses Paralleluniversum hunderttausender Menschen zu gewinnen.

 

Natürlich fragt man sich, warum sich so viele Menschen dieser Diktatur aussetzen, denn Favelas sind keine

geschlossenen Lebenswelten. Niemand zwingt einen, dort zu leben. Der Grund ist sehr einfach: Immobilien.

In den Favelas gibt es Häuser, die Menschen Unterkunft bieten.

 

Was bei mir hängen geblieben ist, ist die Gewissheit, dass wir uns bei einer nachhaltigen Analyse von

Immobilien viel zu sehr auf das E(nvironmental) in ESG konzentrieren. Immobilien und Wohnen haben aber

immer auch eine Social- und Governance-Komponente. Das erkennt man schon allein an Begriffen wie

soziales Wohnen, Gentrifizierung, Korruption  im Baugewerbe, Schwarzarbeit und vieles mehr. Alles das hat

letztendlich mit dem Wohnort und damit mit Immobilien zu tun.

 

Der 8. Juli wird für Brasilianer ebenso wie für mich unvergesslich bleiben. Ich nehme aber neben der Erinnerung

an den herrlichen Ausblick und das unglaubliche Spiel auch die Erkenntnis mit, dass Wohnen etwas ist, das

eigentlich gar nicht unabhängig von einer ESG-Perspektive gedacht werden kann. Ich hoffe daher sehr, dass

wir als nachhaltige Investmentindustrie bald einen Beitrag leisten und mehr Mittel für nachhaltige Immobilien

zur Verfügung stellen können.

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