Nachschlag

 

Über einen Moment der Sprachlosigkeit

Gerold Permoser, Chief Investment Officer (CIO) der Erste Asset Management.

 

Zuerst kommt die Moral, dann das Fressen?

 

In seiner Nobelpreisrede erzählt Muhammad Yunus über seine Sprachlosigkeit, als er den Preis erfahren musste,

den eine arme Frau für einen Kredit von 1 US$ zu zahlen bereit war: Sie machte die Zusicherung, alle zukünftig

von ihr erzeugten Produkte an den Kreditgeber zu den von ihm vorgegebenen Konditionen zu verkaufen.

 

Eine ähnliche Geschichte wird von Niall Ferguson in seinem Buch Der „Aufstieg des Geldes“ über Kredithaie,

die in seiner Heimatstadt Glasgow Kredite an Menschen, die keine andere Wahl haben, zu Jahreszinssätzen von

über 1 Million % vergeben.

 

Ferguson, ein bekannter konservativer Intellektueller, und Yunus, ein sozial engagierter Praktiker des Helfens,

sind zwei Menschen, die wohl unterschiedlicher nicht sein können. Beide weisen sie aber auf ihre Art auf

dieselbe Tatsache hin: Menschen brauchen Zugang zu Kapital, und dieser Zugang soll zu vernünftigen

Konditionen und, eng damit zusammenhängend, in einem rechtssicheren Umfeld erfolgen.

> 90% Rückzahlungsquote

Bei Mikrokrediten liegt die Rückzahlungsquote bei mehr als 90%.

Diese Zahl ist unter anderem auf die Gruppenbürgschaft zurückzuführen,

die soziale Kontrolle mit sich bringt. Zudem stehen den Kreditnehmern vor

Ort Berater zur Seite, die sicherstellen, dass die vergebenen Kredite für

unternehmerische Anschaffungen und Tätigkeiten verwendet werden und

nicht zu Konsumzwecken missbraucht werden. Nicht nur die Rückzahlungs-

quoten, auch die Kreditkonditionen reichen von beachtlich bis atemberaubend.

Kreditgeber verrechneten im Jahr 2011 durchschnittlich 27 Prozent, die nicht

zuletzt mit der intensiven Vor-Ort-Betreuung zusammenhängen.

 

Quelle: Consultative Group to Assist the Poor (CGAP)

In den Jahren seit der Finanzkrise ist immer wieder eine Verbindung von Moral und Finanzwelt hergestellt worden.

Meist wird das Fehlen jeglicher Moralvorstellungen von Akteuren in der Finanzindustrie als einer der Gründe

angegeben, warum es zur Finanzkrise kam. Als Beweis für das vollkommene Fehlen moralischer Werte wird

angeführt, dass die Allgemeinheit auch noch für die „Sünden“ des Finanzsystems aufkommen muss.

Menschen brauchen Zugang zu Kapital –zu vernünftigen Konditionen

Ich möchte an dieser Stelle nicht behaupten, dass vor der Finanzkrise keine Fehler passiert wären und dass

nicht auch moralisch versagt wurde. Dennoch finde ich es immer wieder nützlich, sich eine Welt vorzustellen,

in der es keine Banken gibt und in der Menschen darauf angewiesen sind, sich Geld im rechtsfreien Raum

zu beschaffen.

 

In dem Sinne macht es gerade zur Adventzeit besonders viel Spaß, an einem Mikrofinanzprodukt mitzuarbeiten.

Schöne Weihnachten!

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